Kalter Kaffee 3

KaffeeEs vergingen viele, aber wichtige Termine mit Frau Brenickel, doch eine nennenswerte Hilfe war sie nicht; und wie ein Kunde habe ich mich nicht gefühlt, fast so unsinnig wie meine Barbesuche in dieser Haltestellen Bar.
Eine chronische Krankheit verschlechterte immer wieder meinen Gesundheitszustand und ich konnte nicht mehr als Elektriker arbeiten, das zumindest behauptete das Arbeitsamt. Ich bat meine Beraterin Frau Brenickel immer wieder mir eine Weiterbildung zu genehmigen, aber dieser Fleischbrocken ließ sich nicht überzeugen. Es würde zu viel Geld kosten und das wäre unsinnig. Ich versuchte es immer wieder mit verschiedenen Frisuren, mit unterschiedlichen Klamotten, mal frisch geduscht, mal muffig, mal rasiert mal unrasiert, aber sie ließ sich nicht umstimmen. Immerhin hatte ich mit Frauen geschlafen, die etwas älter als Frau Brenickel waren; also mental kurz vor der Rente. Sie waren alle großzügiger als Frau Brenickel, obwohl es ihr eigenes Geld war, denke ich. Egal ob verheiratet oder nicht. Von wegen Sex sells!

Ich musste unbedingt einen Job finden, wenn ich meine Beraterin loswerden wollte. Immerhin hatte sie oder ihre gewissenhafte Arbeit zwei Menschen das Leben gekostet. Einer der sich seine Medikamente nicht kaufen konnte starb an einen Zuckerschock. Ihn waren die Leistungen gekürzt worden, weil er nicht zum Termin beim Arbeitsamt erschienen war; wie sollte er auch, wenn er bewusstlos in seiner Küche lag. Eine andere Frau konnte wohl die Situation als Kunde vom Arbeitsamt nicht mehr aushalten, und warf sich vorm Zug.

Morgens um zwanzig nach vier begann mein Tag mit Haare raufen, an der Bettkante sitzen und die Zimmertür anstarren. Es waren einige Monate vergangen seit dem ich meinem Job verloren hatte; und vor etwa genauso vielen Monaten hatte mich Ingrid verlassen. Obwohl sie mir immer sagte wie sehr sie mich vermissen würde, wenn ich bei der Arbeit war. Sie wünschte sich, dass ich mehr Zeit für sie hätte; dann hatte ich Zeit für sie, aber sie nicht für mich. Ingrid war nach ihrer Schicht in der Helenen Straße mit ihren Freundinnen shoppen oder chillen usw. Seit sie weg war, hatte sich die Tür nicht mehr so bewegt wie damals als sie nackt vom Bad kam, jetzt zitterte weder ich noch die Tür. Ich rückte meine Eier zurecht und ging ins Bad pissen, schaute in den Spiegel und fühlte die Müdigkeit. So ging es jeden Morgen, bis ich es leid war mich anzusehen und nach Pickeln zu suchen; und ließ es in Zukunft einfach sein und kochte sofort Kaffee.

Oft saß ich fast zwei Stunden auf dem Balkon und dachte über Jobs, Geld, Frauen, die Hausratversicherung, die Autoversicherung, ja, einfach über offene Rechnungen nach. Um acht begann ich Firmen, Läden und Büros anzurufen, Freunde auf Baustellen zu belästigen; aber es tat sich nichts. Jetzt galt ich als Ungelernter, weil ich meinen Job als Elektriker nicht mehr ausüben durfte. Ungelernte Leute will man hier nicht, Zeugnisse, Qualifikationen, Erfahrung, Sprachen und der Wille zählen einen Dreck, wenn du nicht das richtige Formular ausgefüllt hast oder nicht die richtige Bescheinigung vorzeigen kannst. Ich wollte nicht ewig auf Baustellen arbeiten, aber ich wollte auch nicht für den Rest meiner Tage ohne Job bleiben. Dieser Gedanke kam immer wieder wie eine Ermahnung aus der Zwischenwelt, von der Frau Brenickel konnte sie nicht kommen und von den Toten auch nicht, die hatten diesen Scheiß mit tausenden von Brenickel’s hinter sich, zumindest meine Freundin die sich vorm Zug geworfen hatte. Ja ich sollte weiter schreiben ohne Kompromisse; ich hatte ja genug Stoff gesammelt. Nachmittags war die Vorstellung in meinem Kopf vorbei. Ich kraulte meine Eier, aber das war’s nicht, so rief ich meistens eine meiner Ex-Freundinnen an, wenn sich nichts Neues ergab, und sie taten den Rest. Ein Wichser bin ich fast nie gewesen.

Abends traf ich ab und an den einzigen Freund, denn plötzlich hatte ich keine Freunde mehr außer einige Ex-Freundinnen, in einer Bar am „Bermuda Dreieck“, und erzählte ihm vom meiner Schreiberei und er erzählte mir über seine Internet Bekanntschaften. Zum Kennenlernen und ficken war mir nicht zumute, zumindest nicht in einer Partnerschaft oder so. Ich hatte eine fast fertige Story über Homosexualität unter Windkraftanlagenmonteure, aber er hörte nicht zu. So hörte ich mir seine Erfahrungen bei Kontaktbörsen oder über Bob Dylan Konzerte an.

Zu der Zeit war ich schon zum Schläger und Säufer verkommen, laut den Erzählungen meiner „Freunde“ im Steintor; obwohl keiner von ihnen mich je besucht hatte. Aber mit der Hellseherei im Viertel kenne ich mich nicht aus. Ich weiß nur, dass Regenwürmer und Maden mehr Stil haben, sie kriechen ins tote Fleisch und können davon zehren. Aber meine „Freunde“ im Steintor hatten wohl nichts zu erzählen oder etwas wovon sie zehren konnten.

Die Ex-Freundinnen sind das Beste was ein Mann haben kann; ich rede nicht von Ex-Frauen.

To be continued

August 2014