Drüben in der Neustadt lebt eine alte Dame, die Ohrringe biegt, Döner macht und sich mehrmals am Tag schminkt.
Sie malt auch nackte Männer.
Auf kleinen Dreiecksregalen stehen Buddhastatuen, in den Regalen seltsame Fachbücher.
Ich ging da rein, ich sollte mir eine defekte Lampe anschauen.
Sie gab mir was zu trinken und ich schaute mir die Lampe an. Nichts zu machen, diese Lampe war hässlich. Beim zweiten Drink ließ ich die Lampe fallen.
Krach! Das wars mit der hässlichen Lampe.
Im Zimmer hingen Bilder oder Gemälde von nackten Männern. Nicht alle waren schön oder nur ansatzweise adonisartig. Es waren untersetzte, dürre, fette, lange Männer.
Eines dieser Gemälde zeigte einen Afrikaner, mit einem Wasserfall zwischen seinen Beinen, anstatt eines Pillermanns. Der arme Kerl starrte traurig in die Ferne während er unten auslief. Ich fragte sie warum er so traurig schaut.
Sie sagte sie wäre jetzt traurig wegen ihrer Lampe, aber sie würde sich freuen mich wieder zu treffen.
Ich weiß, sagte ich und zündete mir eine Zigarette an, trank mein Glas aus.
Klar, sie kannte sich mit nackten Männer wohl gut aus. Aber mit Lampen?
Dieser Mann ohne Pillermann war ihr erster Mann, der ist gleich nach der Heirat und frisch aus Afrika unter einem Gabelstapler krepiert.
Sie lachte und brachte mir noch eine Flasche Wein. Wir redeten über Dichter, Theater, aber hauptsächlich über tote Dichter. Pablo Neruda, Yeats, Dostojewski usw. Wir redeten auch über Maler, essen und nicht essen.
Sie sollten sich nicht von ihren Bildern deprimieren lassen, sagte ich.
Ja, da haben sie Recht. Ich sollte den Wasserfall übermalen und seinen Schwanz tropfen lassen. Was meinen sie?
Geben sie dieses Gemälde einen Sinn, sagte ich.
Finden sie mich sexy, in diesem Bademantel?
Ja, er steht ihnen sehr gut, besser als die Lampe, sagte ich. Sie setzte sich neben mich, goss was zu trinken ein und zündete mir eine Zigarette an. Wir redeten weiter, über Flüchtlinge, das Auswandererhaus in Bremerhaven usw.
Sie legte ihre Hand auf meinen Knie, meine zerrissene Levi’s bot ihr genug Fleisch.
Sie sagte ich hätte eine sehr schöne Figur, weiche Haut, männlich und doch feminin.
Ich sagte ihr, sie hätte eine tolle Figur und einen klaren Verstand. Sie erklärte mir wie sexy Verstand auf eine Frau wirken kann.
Das hängt auch von der Frau ab, sagte ich etwas entspannter beim ausatmen. Ich weiß nicht mehr wie viel Flaschen es waren, aber ich bin im Hausflur aufgewacht.
Eine Woche später rief sie mich an, sie hatte sich eine neue Lampe besorgt und ich sollte rüber kommen und sie mir anschauen. Ich ging rüber und schaute mir die Lampe an.
Sehen sie her, ich habe ihm seinen Pillermann wieder gegeben, sagte sie.
Mich interessieren keine Pillermänner, ich interessiere mich für Lampen, egal wie alt oder wie hässlich, ich bin Elektriker.
Ist in Ordnung. Wollen sie Wein trinken? fragte sie mich mit einem herzlichen Lächeln.
Gut, sagte ich.
Willst du nicht sein Gesicht ansehen? fragte sie mich und verschwand im Schlafzimmer. Nach einer Weile kam sie wieder mit einer Flasche Wein in einer Hand, und jetzt im Bademantel, mit ihrer neuen Lampe in der anderen Hand.
Gut gelungen das Stück, sagte ich.
Da bemerkte ich, dass er mein Gesicht trug. Verdammt das war ich.
Ich staunte und sie lachte.
Das Kunstwerk war jetzt vielleicht vollendet.
ENDE
November 2014
