Trunkenheit am Steuer konnten sie ihr nicht vorwerfen. Dafür waren die edlen, ewig blauen Herren 14 Stunden zu spät.
Sie wollte eine Freundin vom Bahnhof abholen und ich sollte sie auch kennen lernen. Wir parkten am Hintereingang oder Hinterausgang. Katja stieg aus und öffnete den Kofferraum, ich blieb sitzen und sah ihre Freundin schon kommen. Sie begrüßten sich.
Einmal eingeatmet und ausgeatmet, und Zack! knallte ihr Kopf gegen den Wagen. Ich sah im Rückspiegel wie etwa 6 Blaumänner über Katja herfielen, wie eine Meute Hyänen. Diesmal hielt ich den Atem an, und sie zerrten mich aus dem Auto und Zack! hatte ich das Knie eines Blaumannes im Kreuz. Ich musste liegenbleiben und das Knie ertragen. Katja tickte aus und wollte wissen was los sei. Trunkenheit am Steuer.
Ihre Freundin versuchte noch zu vermitteln, aber es war sinnlos, sie wurde zur Seite gestoßen. Das Bier was Katja in der Hand gehalten hatte war ihres. Katja hatte es nur in der Hand gehalten, während sie das Gepäck in den Kofferraum verstaute. Alle Mühe war sinnlos, sie nahmen Katja mit zur Wache. Zu Fuß sind es einige Meter vom Parkplatz entfernt. Ihre Freundin ging freiwillig mit.
Ich lag noch als Vorleger auf dem Fußweg und musste ganz locker bleiben und das Knie vom Blaumann ertragen. Eine kleine Bewegung hätte sie vielleicht veranlasst mich zu kneten, zu quetschen, zu treten und sonst noch was. In ihren schönen blauen Uniformen standen sie um mich rum, als sei ich ein Star, und warteten auf Verstärkung. Nach einer Weile sagte ich ihnen mit sanfter Stimme, dass ich 2 gebrochene Rückenwirbel habe und ob es möglich wäre mich umzudrehen. Nichts zu machen. Ich müsste auf Verstärkung warten. ICH!!!
Ich schaute mir die Beine der Leute an, die nicht auf Verstärkung warten mussten. Viele blickten mir ins Gesicht, anderen blickte ich ins Gesicht. Tage vorher, war ich nicht weit von dieser Liegestelle auf der Premiere des Bremer Tatorts gewesen. In der Folge ging es um einen Latino, Umweltaktivist der erschossen aufgefunden wird. Ich war der tote Latino. Eines dieser doch sehr netten Hanseaten hat mich erkannt.
„Hey, sie habe ich schon mal im Fernsehen gesehen. Sie sind die beste Leiche die ich je in einen Bremer Tatort gesehen habe. Sie haben nicht mal mit der Wimper gezuckt.“
„Danke für das Kompliment. Jetzt bin ich am Boden meiner Karriere wie sie sehen.“
„Was haben sie getan? Oder ist das wieder eine Aufnahme?“
„Ich habe nichts getan, außer einatmen und ausatmen. Tja, so schnell kann es mit einem gehen, aber sie sehen ich bin in Sicherheit. Und das was sie hier sehen ist kein schlechter Film, sondern Realität.“
Die Blaumänner wurden sichtlich nervös und wollten die Unterhaltung unterbrechen, um genauer zu sein, sie wollten sie verbieten. Da kamen noch mehr Hanseaten die mich entweder aus dem Tatort, dem Viertel oder aus dem öffentlichen Leben in Bars kannten.
Sie legten mir Handschellen an, und ich durfte aufstehen. Sie wurden immer nervöser umso länger die Unterhaltung mit den Hanseaten andauerte.
Ihre Verstärkung traf endlich ein, aber meine war ja schon da. Während die Blaumänner mit ihren Funkgeräten rumspielten hatte ich einem Dutzend Hanseaten die Story erzählt. Wie lange ich am Boden ausharren musste, trotz der kaputten Rückenwirbel und wie tapfer ich auf die Verstärkung gewartet hatte usw. Meine Personalien wurden überprüft oder aufgenommen. Dafür brauchten sie Verstärkung, dafür brauchten sie Besatzungen von 3 Streifenwagen. Ich wurde laufen gelassen. Katja und ihre Freundin waren noch im Revier. Ich wollte auf die beiden warten, aber mir wurde geraten den Platz zu verlassen. Und ja, guter Rat ist teuer oder kann teuer werden. So nahm ich den Rat dankbar an und ging zurück ins Viertel. Wollte eigentlich Beschwerde einlegen, aber ich hatte weder Dienstnummern oder Spitznamen der Blaumänner.
Tage später meldete sich Katja. Sie musste fast 24 Stunden in einer Zelle bleiben. Atemprobe, Blutprobe und Führerschein abgeben. Ihre Freundin hatte sie nicht mehr sehen können, denn sie war nur für einen Tag in Bremen zu Besuch.
„Hörmal, habe ich viel getrunken, gestern?“
„Nein, nicht mit mir. Wir haben zwei Bier und zwei Wodka gehabt. Das ist alles, und es waren 14 Stunden vergangen.“
„Ich habe den Bullen alles erklärt. Im Protokoll steht, dass ich die Beamten wohl mit der Flasche angreifen wollte und deswegen alles gerechtfertigt war.“
„Du hast dich erschrocken, voll Panik. Du hast dich gewehrt und versucht alles zu erklären, aber sie waren überzeugt, dass du betrunken gefahren bist, denke ich.
In dieser so besinnlichen Weihnachtszeit ist der Glaube ein gefährliches Medium. Du weißt, der Glaube kann Berge versetzen, und sie waren zu sechs. Das sind sechs mal staatlicher Glaube gegen deinen…“
„Ich habe wegen diesen Pennern meine letzte Theaterprobe verpasst. Der Arzt hat nichts im Blut gefunden. Aber Widerstand gegen die Polizei und Beamtenbeleidigung wird mir zur Last gelegt. Kannst du für mich aussagen?“
„Ja sicher. Sag wann du mich brauchst und ich lege mich schon mal hin. Aber diesmal nehme ich ein Sitzkissen mit.“
Von Katja habe ich nie wieder was gehört, vielleicht ist sie in eine andere Stadt gezogen. Die Polizei vermeldet, dass trotz der ganzen Flüchtlinge in der Stadt und der Mehrarbeit noch alles unter Kontrolle ist. Es gäbe nur immer noch zu wenig Personal. Ich habe jetzt eine Sängerin kennen gelernt, sie fährt immer mit dem Fahrrad und wir treffen uns regelmäßig, sie korrigiert meine Texte.
