Kalter Kaffee 6

Kaffee

Der Tag der Verhandlung, wegen meiner Tätlichkeit gegen die verdammte Brenickel, nahte. Nach diesem Kaffee-Rum mit diesen Wichser in der Bar, hatte ich meine Selbstachtung wieder gewonnen. Angst vorm Richter zu stehen hatte ich nicht, irgendwann steht ja jeder vor seinem Richter.

Meine Anwältin, Pflichtverteidigerin war eine Bekannte; ich kannte sie als sie noch studiert hatte. Als das dumme Mädchen haben wir sie in Erinnerung, aber was besseres konnte ich mir nicht leisten. Wir hatten eine ziemlich üble Affäre, so einen miserablen Fick habe ich bis heute nicht gehabt, obwohl ich mir immer noch nichts besseres leisten kann. Sie hat nach Fisch gerochen, nicht nach frischen Fisch, denn frischer Fisch riecht nicht. Milchsäurebakterien waren die Ursache, das passiert wenn das Eiweiß der Spermien nicht mit dem weiblichen Sekrete harmonieren, nichts besonderes bei einer schlechten Anwältin. Das Eier in den achtziger mal nach Fisch geschmeckt haben hängt aber mit der Fütterung der Hühner mit Fischmehl zusammen. Das habe ich nicht getan. Das alles habe ich etwa zwanzig Jahre später übers Internet gelernt, sie hätte es mir nicht erzählt.
Naja, so schlecht würde wohl auch meine Verteidigung laufen. Aber was soll’s.
Fuck the system! You fought the law!

Ein paar Jobs, schwarze Kassen, zwielichtige Freunde usw. wurden Teil meines Lebens. Mir ging es besser; ich räumte meine Wäsche in den Kleiderschrank, putzte die Küche, das Klo, polierte exzessiv und regelmäßig meine Stiefel. Bin zum Friseur gegangen; fünfzehn EURO wurde ich los, aber Scheiß aufs Essen. Ich beschloß mein Leben wieder so verdammt glänzen zu lassen, wie meine mexikanischen Biker Boots. Weg mit dem Staub meiner Stiefel, weg mit dem Staub auf meinem Plattenspieler, weg mit den Staubmilben…

Am Verhandlungstag ging‘s mir blendend, hatte zwei Tage vorher für Bekannte einen Job erledigt und dafür fünfhundert EURO bekommen. Bei diesen Bekannten sagt man nicht was man will, sondern man fragt was ihnen die Arbeit Wert ist; ansonsten könnte es sein, dass du hinterm Motorrad her geschleift wirst. So schnell kann man nicht laufen.
Sie waren verdammt nett und wirklich verständnisvoll, sie hatten immer ein offenes Ohr für mich. Aber das Ohr benutzte ich nie, nahm lieber eine offene Flasche oder sonst was.

Ich betrat den Verhandlungsraum im Gerichtsgebäude an der Domsheide Ich sah den Richter an, den Staatsanwalt… lächerlich dachte ich. Meine Anwältin kam an den Tag nicht zur Verhandlung, später hörte ich, dass sie in den Urlaub gefahren war. Auch gut, dachte ich.
„Herr Segundo, wo ist ihre Verteidigung?“
„Wer weiß das schon, Herr Richter.“
„Sind sie einverstanden…“
„Ja ich bin einverstanden. Kann ich jetzt gehen?“
„Etwas mehr Respekt Herr Segundo!“
„Ist gut. Entschuldigen sie Eurer Ehren. Warum tragen sie eigentlich keine Perücke?“
„Bitte?“

Das war’s, ich musste lachen, immer mehr, bis zum Lachanfall. Der Richter, der Staatsanwalt, ja sie sahen aus wie verhinderte Helden.
„Was gibt’s zu lachen Herr Segundo. Sie stehen vor Gericht!“
„Gut das einer besser weißt wo ich gerade bin. Wissen sie, sie sehen aus wie der Vater von Batman, in ihren Umhang. Sie auch Herr Staatsanwalt, aber sie müssten Robin sein. Sind sie Robin?“
„Wie bitte?“ reichlich menopausisch fragte mich der Staatsanwalt. Schaute sitzend, in gebückter Haltung durch seine Gläser, als würde er ein unbekanntes Wesen in einem Käfig beobachten.
„Nun ja, Männer verlieren Haare; Batmans Vater würde seine Ohren verlieren, deswegen denke ich, dass sie Herr Richter irgendetwas mit einem Superhelden zu tun haben müssen.
Und sie Herr Staatsanwalt, wenn sie nicht Robin sind, dann zumindest der Onkel von Batman. Haben sie sonst noch was verloren, außer ihren spitzen Ohren?
Sie sollten mit ihren Frauen Ohr Hase spielen, anstatt hier einen bescheuerten Umhang zu tragen. Mit dem fliegen wird es nichts bei euch Beiden…“
„Seien sie still, Herr Segundo!“

Ich schaute den Staatsanwalt in die Augen bis er nicht mehr still sitzen konnte, er musste auch grinsen. Der Richter sah mich an und las irgendwas aus einer Akte. Was er vorlas war wie ein Roman von Stephen King; er schaute ernst, mal zuckten seine Augenbrauen, mal hielt er den Atem an.

Ich lachte wieder und immer wieder; irgendwann hat Batman’s Vater die Verhandlung unterbrochen. Ich durfte für fünfzehn Minuten aus dem Raum gehen und eine Zigarette rauchen. In der Toilette konnte ich mein Geschäft machen, fühlte ich die Berührungen der Feen und konnte sogar den Frühling in den Fluren des Gebäudes riechen.
Es ging weiter mit der Verhandlung, aber es war einfach ein schlechter Comic. Kein schlechter Zeichner hätte so bedeutungslose Gestalten zeichnen können, wie diese realen Menschen.
„Herr Segundo, nehmen sie Platz.“
„Moment. Können wir ein Fenster öffnen?“
„Herr Segundo sie hatten genug frische Luft!“
„Wie sie meinen Eurer Ehren.“
Ich setzte mich hin und furzte so heftig, dass ich den Unterdruck in meinen Gedärmen spürte. Vom Gestank musste ich selber fast kotzen, aber ich beschloss zu lachen.
„Irgendwie riecht es hier nach Essen, Herr Staatsanwalt oder haben sie etwas besonderes gegessen?“
„Herr Segundo ich werde sie gleich vom Sitzungssaal verweisen!“
„Bitte tun sie das. Der Gestank hier ist nicht auszuhalten. Wie können sie so was täglich durchstehen…“
„Verlassen sie bitte den Raum Herr Segundo! Kann jemand das Fenster öffnen bitte?“

Im Flur kämmte ich mir die Haare. Die haben keine Spiegel auf dem Klos, irgendwie kannte ich das aus den Bars im Steintor. Eine Bürotür tat’s auch. Das Mädel am Schreibtisch grinste, ich furzte und verließ das Gebäude.

To be continued…

August 2014