Kein Klopapier

SchänkeMit der Sehnsucht habe ich es nicht leicht, die kann dich sonst wohin führen. Aber ich mag dieses ungestilltes Gefühl nach etwas was mir irgendwann fehlen könnte. Ja, ich mag Bier, Frauen, Hosen, Unterhemden, BH’s oder keine BH’s und vieles mehr wovon ich noch nichts weiß.

Immer wenn ich die Jungs treffe, dann sind wir voller Sehnsucht, wir wollen meisten nur reden, aber in der Bar ist es zu laut; und so gehen wir aufs Klo zusammen, um uns zu unterhalten, machen Frauen auch. Nicht viel größer als eine Telefonzelle ist das Klo in der Bar. Es gibt keinen Spiegel, keinen Klodeckel; aber egal wie wir gerade aussehen, wir wollen unsere Gedanken austauschen.

Der eine hält ein kostenloses Magazin in den Händen, waagerecht und stramm, naja für dieses Mix-Magazin mag man auch kein Geld ausgeben, nicht umsonst gibt es so was auf dem Klo, naja und wo es auch keine Klodeckel gibt, gibt es auch kein Toilettenpapier. Ein anderer wühlt in seinem Portmonee und sucht irgendeine Karte, oft verlegen wir diese Karte, es ist immer die Krankenkassenkarte, ein anderer versucht einen Schein zu einem Röhrchen zu rollen; fünf Euro sind immer drin und im schlimmsten Fall muss eine Seite dieses Mix-Magazins herhalten.

Fünf oder sechs Leute stehen dicht gedrängt in diesem Klo und reden über Pläne, Gefühle, schlechte Filme, Literatur, Musik oder Straßenbahnfahrer. Frauen kommen in den Gesprächen fast nie vor. Das Thema ist zu (un)wichtig, zu abgelutscht oder einfach zu belastend; jeder von uns wird seine Gründe haben.

Derjenige der das Magazin halten muss, wird ungeduldig und drängt uns endlich in die Socken zu kommen, er kann dieses Magazin nicht länger halten. Hier inserieren ältere Frauen, mit lauter Buddhastatuen in ihren Wohnungen, ihre Kontaktwünsche, meistens suchen sie jemanden zum alt werden; tapfere Frauen.

Wir hören ihn nicht, wir reden durcheinander, jeder sagt was; einer erzählt eine literarische Story oder ein selbst geschriebenes Gedicht und er fühlt sich befreit, egal ob jemanden zugehört hat. Meistens dauern solche Gespräche um die zehn Minuten. Nach der mentalen Befreiung können wir richtig durchatmen, und wir gehen relativ geordnet wieder raus aus dem Klo. Wir verteilen uns schnell in alle Richtungen in der Bar, wie ein Bienenschwarm der gerade auf dem Weg zur Bestäubung ist. Wir kehren zu unseren Blüten zurück, die Katja, Andrea, Sabine usw. heißen. Andere schwirren am Kickertisch, andere von einem Ende zum anderen Ende der Bar. Der Sonnenstand verrät uns vielleicht die Tageszeit aber dem trauen wir nicht, wir sind schließlich keine Bienen.

Diese Treffen sind unvergesslich. Die Sonnenbrille lässt uns andere sehen, zu durchleuchten, unser Gegenüber kann nur sein eigenes Elend in der Sonnenbrille sehen. Die Sonnenbrille spiegelt wieder das Angesicht der Wirklichkeit, die letztendlich die Masse zum Wahnsinn oder Normalität treibt. Tausende, Millionen dieser Normalen, die vielleicht nicht diese Toiletten in Bars aufsuchen, leiden an Verstopfung und brocken uns den Scheiß des Alltags ein. Wir wollen nur mit einer heilen Sonnenbrille nach Hause kommen.
Es ist kein Verstecken, wir nehmen dem Gegenüber die Möglichkeit über uns zu Urteilen, bevor wir nicht einen Satz heraus gebracht haben.

Das würde ich gerne einer Biene erzählen, die muss nicht Katja, Andrea oder Sabine heißen, aber die Musik ist zu laut. Es scheint ganz hell zu werden und die Bienen müssen los. Ich gehe auch irgendwann los, aber ich kann dem Sonnenstand nicht trauen. Nur die Dunkelheit gibt mir Sicherheit, meine Freunde sind nicht zu sehen, ich schließe meine Augen.
Eine Sonnenbrille, wen kümmert‘s. Kein Honig, nur Staub und ein zerrissenes Mix-Magazin und eine leere Toilette.

MUSIK BITTE! Solitary Man!

Mai 2014